Die besten 20 Bücher des Jahres
Ausgewählt von Gérard Otremba
Die Rubrik heißt natürlich immer noch Top-Ten, doch am Ende des Jahres darf es etwas mehr sein. Deshalb ist, ähnlich wie bei den Songs- und den Alben des Jahres, aus der Top-10 eine Top-20-Liste geworden. Mit Macht drängten noch ein paar andere Bücher in die Liste, die der Rezensent dort ebenfalls gerne gesehen hätte, und die in einer Punktwertung nicht schlechter abgeschnitten hätten als einige in der Bestenliste aufgeführten. Wie beispielsweise Buchpreisgewinner Bodo Kirchhoff mit Widerfahrnis, oder Isabel Bogdan mit Der Pfau und das ein oder andere, ausschließlich für das Rolling Stone-Magazin besprochene Buch. Aber auch die vorliegenden 20 Titel zeigen den Facettenreichtum der zeitgenössischen Literatur. Viel Vergnügen mit der nach möglichst objektiven Kriterien und einiger kleiner subjektiver Einschätzungen ausgewählten Liste der Büches des Jahres 2016:
Szczepan Twardochs teilweise schwindelerregend schnelle Montagetechnik ist so gewöhnungsbedürftig wie herausfordernd. Sein Coup, den Roman Drach aus der Sicht der Erde erzählen zu lassen, schlicht genial. So genial wie der ganze Familien- und Epochenroman aus Gleiwitz, früher Oberschlesien, heute Polen.
Eine fiktive und brillante Geschichtsstunde über den römischen Kaiser Augustus, die mehr aussagt als alle historischen Lehrbücher. Ein prachtvolles Leseerlebnis.
3. Gerhard Falkner: Apollokalypse
Mysteriös, verwirrend, rauschhaft. Ein Grenzgänger-Roman aus dem Berlin der 70er-90er Jahren. Der Lyriker Gerhard Falkner legt alles in sein Romandebüt und gewinnt.
Andreas Maiers Romanzyklus Ortsumgehung findet mit dem fünften Band Der Kreis seinen nächsten Höhepunkt. Es ist ein literarischer Hochgenuss, die Romane des in Hamburg wohnenden Sprachästheten zu lesen.
5. Françoise Giroud: Ich bin eine freie Frau
Ein bedeutendes, autobiograhpisches und emanzipatorisches Manifest der französischen Journalistin aus dem Jahre 1960. Eindrucksvolle Literatur.
Dieser prachtvolle Gesellschaftsroman zeigt Juli Zeh mal wieder am Puls der Zeit. Ein epischer, dramatischer, intelligenter und überragender Roman.
7. Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit
Die Schicksalsschläge, die Trauer, der sanfte Humor und mit Elliott Smith und Nick Drake zwei geniale und viel zu früh verstorbene Songwriter perfekt in Szene gesetzt. Der beste Roman von Benedict Wells so far.
8. Elena Ferrante: Meine geniale Freundin
Ein literarischer Pageturner, der nichts zu wünschen übrig lässt. Einfach abtauchen in diese grandios erzählte Mädchenfreundschaftsgeschichte aus dem Neapel der 50er Jahre, kurz auftauchen und im Januar geht es weiter mit Band zwei.
So intensiv wie eine Platte von Nick Cave. Der allgegenwärtige Tod, die Frage nach der Moral, aber auch die anarchische Komik machen Am Rand zu einem imposanten Roman.
10. André Kubiczek: Skizze eines Sommers
Die Jugend, die Musik, die Melancholie, die Dichtung, der Sommer. Wie der schönste perlende Gitarrenpop von The Go-Betweens. Ein beschwingter, federleichter und meisterlich komponierter Roman von André Kubiczek.
11. Bruce Springsteen: Born To Run
Nicht nur ein phantastischer Musiker, sondern auch noch ein launiger Erzähler. Bruce Springsteen ist und bleibt „The Boss“.
12. James Leslie Mitchell: Szenen aus Schottland
Virtuose Erzählungen und journalistische Reportagen aus den frühen 30er-Jahren.
Eine eloquente, humorvolle, philosophische und spöttische pränatale Erzählstimme gibt dem Roman den nötigen Drive. Coole Idee, hervorragend umgesetzt.
14. Saša Stanišic: Fallensteller
Ein Füllhorn von skurrilen, absurden und grotesken Ideen des großen Humoristen und Humanisten Saša Stanišic.
15. Matthias Hirth: Lutra lutra
Auf der Suche nach der dunklen Seite des Mondes gelingt Mathias Hirth dieses exzessive, zwischen Schwulenporno und Moralphilosophie changierende Meisterstück.
16. Markus Berges: Die Köchin von Bob Dylan
Ein origineller, eindringlicher, berührender und charmanter Roman. Mit Bob Dylan in seiner schönsten Nebenrolle.
17. Gary Disher: Bitter Wash Road
Ein existentialistischer Australien-Krimi mit fabelhaften Personen- und Charakterstudien.
18. Thomas von Steinaecker: Die Verteidigung des Paradieses
Ein opulenter und wuchtiger dystopischer Abenteuerroman, der den Leser umhaut und jederzeit in seinen Bann zu ziehen vermag.
19. Thomas Melle: Die Welt im Rücken
Ein ganz starker autobiographischer Text über die manisch-depressive Erkrankung des Schriftstellers Thomas Melle. Ganz ohne doppelten Boden. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt.
20. Gert Möbius: Halt dich an deiner Lieber fest – Rio Reiser
Eine würdige Biographie des Ton Steine Scherben-Sängers Rio Reiser und dessen Familie aus der Sicht des Bruders Gert.
Weitere Literaturrezensionen sind hier zu finden.
Lieber Gérard,
Bei Melle, Wells und Zeh schwingen wir im gleichen Takt 😉 Eine schöne Auswahl, bunt gemischt und unterhaltsam.
Ich wünsche Dir für 2017 wieder so einen großen Stapel Lieblinge und ansonsten – nur das Beste!
Sarah
Danke Dir, liebe Sarah, das wünsche ich Dir ebenfalls. Und viel Spaß beim ambitionierten (Roman-)Schreiben!